Unser Versprechen: Präzision in Schall

Das das so ist, lesen Sie, in der Firmenreportage von FIDELITY

FIDELITY zu Besuch bei Manger Products

Sanft die Hügellandschaft, würzig das Bier – und mit-tendrin eine kleine Manufaktur, die ein weltweit ein-maliges Audio-Produkt herstellt und normalerweise gar keinen Besuch empfängt: Manger Products. Heute aber ist es so weit. Ich reise in die Rhön, ins Städtchen Mellrichstadt. „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, quäkt das Navi, „es liegt auf der linken Seite.“Und was sehe ich da auf der linken Seite, inmitten eines völlig normalen Industriegebietes? – Ein völlig normales Industriegebäude. Manger Products pflegt, wie die allermeisten Spezialisten, die ich bisher ken-nengelernt habe, einen vollkommen unprätentiösen Auftritt. Schillernde Exzentrik ist verpönt, man fühlt sich grundsätzlich eher der Wissenschaft und For-schung verbunden (obwohl man regelmäßig mit ge-wissen Schulmeinungen über Kreuz liegt – dazu später mehr). Ansonsten ist man hier, so viel sei schon verra-ten, damit beschäftigt, den legendären Manger-Schall-wandler in bestmöglicher Qualität herzustellen.

Kreuzberg ist überall

Die Chefin selbst, Daniela Manger, bittet herein und führt mich sogleich ins Büro, das vielleicht noch ein bisschen unauffälliger wirkt als das Gebäude. Ihr gegenüber am zweiten Schreibtisch sitzt Martin Schuldt, der mich begrüßt, aber noch schnell eine dringende E-Mail beantworten muss. In der Zwischenzeit serviert Daniela Manger einen Teller voller Leckereien, die – ganz im Sinne einer Manufaktur – natürlich hausgemacht sind. Und zwar von ihr und auch der Frau Mama, die sich gelegentlich noch in der Firma blicken lässt. Heute zum Beispiel mit selbst gebackenen„Heinerlis“ und Brownies – beides so gut und schokoladig-saftig, dass meine Gedanken kurz abschweifen, zum Café „Barcomi’s“ in Berlin-Kreuzberg …Kreuzberg? Bei diesem Stichwort steigt nun auch Martin Schuldt ins Gespräch ein: Den wahren Kreuzberg – nicht den Stadtteil – gibt’s hier ums Eck. Und außerdem „das beste Bier“, das nicht so herb wie die typisch norddeutschen Sorten sei.
 

Er kenne sich da aus, schließlich komme er aus dem hohen Norden. Auf meine Frage hin, was ihn denn von der Waterkant in die unterfränkische Rhön-Region verschlagen habe, erfahre ich, dass der diplomierte Nachrichtentechni-ker (Fachgebiet: Schallwandler) bereits seit 1992 zur Manger-Familie gehört. In der Firma betreut Martin Schuldt größere Beschallungssysteme und Installatio-nen, während Daniela Manger, ebenfalls diplomierte Nachrichtentechnikerin, sich um Kundenbetreuung, Service, aber auch um Neuentwicklungen kümmert. Beide verstehen sich zudem als „Mädchen für alles“. Das sei in einer kleinen Manufaktur doch selbstver-ständlich – und verglichen mit den Anforderungen zu Gründungszeiten sozusagen purer Mainstream.
 

Quer durch die Wissenschaften

Faszinierend, wie radikal und interdisziplinär Josef W. Manger einst seine Suche nach dem „perfekt impulstreuen“ Schallwandler begann und sich diese in einem serienreifen Produkt materialisierte. „Es war damals einfach eine andere Zeit“, berichtet Daniela Manger. Sie zählt ihren Vater, Jahrgang 1929, zur Generation „Geht nicht gibt’s nicht“, die gelernt hatte, mit Improvisation nicht nur den Alltag zu meistern, sondern auch nachhaltige Erfolge zu erzielen. Zudem sei ihr Vater schon immer ein extrem vielseitig interessierter, nach profunden Erkenntnissen suchender und auch streitbarer Querdenker gewesen, der nichts als gegeben akzeptiert, sondern immer alles in Frage stellt.

Josef W. Manger war in den 1950ern mit seinem Bruder nach Australien ausgewandert, kehrte drei Jahre später dann doch zurück und übernahm, mit dem Meisterbrief des Radio- und Fernsehtechnikers in der Tasche, das Elektrofachgeschäft der Eltern. Eines Tages stellte er fest, dass ihn der Klang üblicher Lautsprecher überhaupt nicht zufriedenstellte. Insbesondere deren Sprungantworten ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass die Zeit für einen völlig neuen Wandler gekommen war. Erst später stieß Manger auf medizinische Fachliteratur zur Hörphysiologie, die seine Thesen untermauerte.

Dort wurde der Aufbau des Ohres untersucht, der menschliche Hörvorgang präzise beschrieben und teils gar neu definiert. Entscheidende Bedeutung für die natürliche Wahrnehmung eines Klanges (besser: Geräusches) wurde dabei den allerersten Millisekunden eines Impulses zugeschrieben. Eben dieses Impulsverhalten spielte damals keine Rolle, wurde von Technikern und Entwicklern der konventionellen Lautsprecher kaum je erfasst – und falls doch, nicht hinreichend berücksichtigt.

Josef W. Manger fand in diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine saubere Bestätigung für seine revolutionäre Konstruktion. Und in der Natur: Schließlich sind Naturklänge und -geräusche zwangsläufig „impulsgenau“ und waren für die Evolution des Homo sapiens – insbesondere für das Gehör und dessen Vermögen, intuitiv Gefahr, Form und Gestalt eines Geräusches zu erkennen – elementar. Der MSW (Manger-Schallwandler) sollte in puncto breitbandiger Impulstreue alles Bisherige übertreffen.

Es ist vollbracht!

Nach langer, aufwendiger Entwicklungsarbeit und endlosen Versuchen präsentierte Manger 1974 einer ebenso skeptischen wie staunenden Fachwelt die ers-ten serienreifen Modelle seines impulstreuen Wand-lers. 1978 kam mit dem Modell Diskus S 05 („Schallsystem 05“) ein erster Komplettlautsprecher, der zwei MSW pro Einheit im Push-Push-Verfahren einsetzte, später folgten eigene Tiefton-Erweiterungen für den Breitband-Wandler.

Bereits nach kurzer Zeit genoss „der Manger“ Kultstatus unter ambitionierten Selbstbauern, aber auch in der Tonstudio-Szene, wo man sich heutzutage immer noch „sehr zu Hause“ fühlt. Seit der Premiere 1974 hat es zwar zahlreiche Detail-Modifikationen am MSW gegeben, vor allem die Steigerung des zu Beginn doch arg knappen Wirkungsgrades bis auf nunmehr ordentliche 91 Dezibel sowie der Einsatz neuer Hightech-Kunststoffe für die „biegeweiche Membran“ gelten als echte Fortschritte eines ohnehin fortschrittlichen Wandlersystems.

Vom Prinzip her ist der MSW jedoch bis heute unverändert geblieben. Was im übrigen auch für die Art und Weise seiner Herstellung gilt. Da ist echte Handwerkskunst gefragt.

 

Willkommen in der Zeitmaschine

Martin Schuldt wird jetzt nebenan in der hauseigenen Servicewerkstatt einen Monitor auf den neuesten Stand bringen. Daniela Manger führt mich über den Flur ins Herzstück der Manufaktur, den Produktionsraum, wo die einzigartige Erfindung des J. W. Manger in akribischer Handarbeit immer wieder aufs Neue entsteht.Warm ist’s hier und irgendwie auf Anhieb gemütlich.

Die Szenerie hat den Charme eines Laboratoriums, in dem seit Jahrzehnten in aller Ruhe konstant gearbeitet wird. Im langgestreckten Raum von gut 80 Quadratmetern ist kein einziger Computer, kein LCD-Display oder Ähnliches zu sehen. Und statt Radiogedudel sind die Betriebsgeräusche alter, gut gepflegter Maschinen zu hören – und ein paar Worte Berlinerisch.

Das ist die Stimme von Sieglinde Rauch, die im rechten Teil des Raumes ihrer feinmechanischen Tätigkeit nachgeht. Die gelernte „Mechanikerin für Datenverarbeitungs- und Informationsmaschinen“ beherrscht ihren Maschinenpark mit souveräner Gewandtheit und absolut sicheren Handgriffen. „Tja, jelernt is’ jelernt.“

Diese Feststellung weiß auch Daniela Manger für sich zu beanspruchen – und schon macht sich die Chefin daran, an der Wickelmaschine den Aufbau der speziellen Manger-Schwingspule zu demonstrieren.

Mit einem fröhlichen „Hier saß ich schon als Twen und durfte aushelfen“ wickelt sie einen dünnen Streifen Aluminium um einen fixierten Wickeldorn, montiert Anschlussstücke und Drahtlitze, Klebstoff und Lack, hantiert mit Stahlschere und Windungssteuerung.

Am Nebentisch präsentiert sie eine mobile Apparatur, die einzig dafür gebaut wurde, flache Kupferlitze mit einer exakt definierten Wellenstruktur zu prägen. Vier dieser Stücke werden später auf einer Biegewellenmembran aufliegen, ohne deren Bewegungen zu beeinflussen.

Auf einer weiteren Werkbank dreht sich langsam der markante Korb eines MSW. Mithilfe einer fixierten Kanüle trägt Frau Rauch eine penibel bemessene Menge Spezialklebstoff exakt kreisförmig auf die Rückseite der Membran auf.

Direkt neben diesem Ensemble wartet schon eine Montageeinrichtung, die mich kurz an ein Lichtobjekt erinnert, auf manuelle Bedienung. Hier werden Schwingspule und Membran miteinander verklebt. Und weil das alles mit äußerst engen Toleranzen geschehen muss, sind Ruhe und Präzision auch hier „oberstes Jebot“.
 

 

Im linken Teil des Raumes kümmert sich Petra Schwamm um die Herstellung der Biegewellenmembran sowie um den Magnetantrieb des MSW. Zu ihrem Hoheitsgebiet gehört zum Beispiel eine übermannshohe Vier-Säulen-Presse.

In Form gepresst wird hier heute allerdings gar nichts. Denn die Präzisionsmaschine mit der Vierfachhydraulik, wie sie früher auch Schallplattenpresswerke benutzten, bekommt gerade selbst einen Service verpasst, um auch weiterhin minimale Toleranzen –

„Wir sprechen hier von 1μm“, also einem tausendstel Millimeter! – einhalten zu können. Daher sind heute auch nicht die beiden Wärmeöfen gegenüber in Betrieb; normalerweise werden dort Schwingspulen verbacken oder Werkstoffe vorgewärmt.

Das oben offene Magnetisiergerät in der Raumecke ist so ausgelegt, dass es bei einer bestimmten Fehlbedienung zwischen den Anschlussklemmen ein dickes Stück Draht mitsamt Klemmen in Rauch aufgehen lässt, und zwar „blitzartig“. Das, so beruhigt mich Daniela Manger, sei bisher zwar erst ein einziges Mal in Jahrzehnten vorgekommen, doch Respekt sei grundsätzlich berechtigt – und greift direkt in die Maschine hinein, um mir das Innenleben ein wenig zu erklären. Der Höllenblitz ist natürlich ausgeschaltet …

Alles hier erweckt bei mir den Eindruck, mitten in eine Zeitreise hineingeraten zu sein. Ich bin trotzdem – oder gerade deswegen – beeindruckt: Sämtliche Apparatu-ren wurden einzig für die Herstellung eines einzigen Produktes konstruiert und gebaut. Von ein und demselben Mann: Josef W. Manger entwickelte die Maschi-nen, die es nicht zu kaufen gab, selbst, alle anderen mo-difizierte der Tüftler nach seinen Vorstellungen.

Ganz oder gar nicht!

Eine weitere Tür des Flures führt zum Messraum mit „unendlicher Schallwand“, Prüfverstärker und, oha, einem modernen DAC. Dessen Signale simulieren das frühere, analoge Messverfahren und bringen den beinahe schon historischen Plotter fürs Prüfprotokoll nicht durcheinander. Somit bleiben auch sämtliche Messergebnisse vergleichbar, die Manger quasi seit dem Urknall des MSW dokumentiert, datiert und ar-chiviert: in prallvollen Aktenordnern mit semitransparenten Datenblättern, mit Messkurven in Grün, Blau oder Rot, mit handschriftlichem Datum oben links, hier etwa der 12. Juli 1978. – Service? Kein Problem!

Unmittelbar an den Messraum grenzt das Lager. Ein Stapel blauer Flightcases zeugt von der Profi-Sparte, die Manger Products seit jeher gern bedient. Ein „historisches“ Paar Standboxen mit jeweils drei MSW im Topmodul verweist auf frühere Aktivitäten in der High-End-Szene.

Audio Physic Medea? Daniela Manger nickt nur halb und verrät, dass Joachim Gerhard in früheren Zeiten oft und gern mit ihrem alten Herrn konferiert hat und sicherlich so einiges an Inspiration hat umsetzen können. Gerhards Medea ist eines der wenigen Fremdprodukte, die mit dem MSW bestückt wurden. Manger Products offeriert nämlich keinerlei Modifikationen des Treibers, was einige Interessenten ebenso abschrecken könnte wie der Preis des Wandlers. Es gibt den MSW, genau so, wie er ist  – oder eben nicht. Punkt.

Preis und Würde

Wer einmal sieht, mit welcher Akribie und Kunstfertigkeit, mit welchem handwerklichen und zeitlichen Aufwand ein MSW gefertigt wird, der versteht die geforderte Summe sofort. Zudem gibt es für diejenigen, die nach einem wirklich impulstreuen Wandler suchen, keine echte Alternative. Daher dient der MSW beispielsweise auch als Impulsgeber in den Messlaboren renommierter Mikrofonhersteller (ja, denken Sie jetzt ruhig an die weltbesten), ist er doch der einzige Schallwandler, der konstruktionsbedingt kein Eigenleben führt und auch schnellste Impulse – von Vogelgezwitscher über Pistolenschüsse bis zur Funkentladung – absolut phasentreu wiedergeben kann.

Zum Abschluss der ersten Etappe meines Besuches werfen wir noch einen raschen Blick in die Servicewerkstatt, wo Martin Schuldt vor einem großen Tisch voller Messequipment mittlerweile den Endspurt des Updates eingeläutet hat. Er wünscht uns noch eine „gute Fahrt“, denn Daniela Manger und ich werden jetzt noch ein knappes Viertelstündchen durch die Rhön kurven. Sie hat tatsächlich ihren Vater erstmals dazu bringen können, einen Nicht-Pro-Audio-Journalisten im Manger’schen Privatrefugium zu empfangen und diesem ein paar persönliche Ansichten zu vermitteln – „weltexklusiv“ sozusagen. Ich freue mich jedenfalls sehr über diese Ehre.

 

 

Newton hat's gewusst

Josef W. Manger hat pünktlich mit 65 die Rente eingereicht. Von Ruhestand war allerdings nie die Rede. Der Erfinder zählt mittlerweile 84 Lenze und ist noch immer kaum zu bremsen. Direkt nach der Begrüßung legt er im Wohnzimmer auch schon los mit der Erläuterung seines aktuellen Projekts. Es geht ruckzuck „ans Eingemachte“ – fachliche Dinge, mit de-nen sich üblicherweise nur Akustik-und Philosophie-Profis wissenschaftlich auseinandersetzen. Und bereits jetzt kann ich ihm nicht mehr in allen Punkten folgen.

Immerhin so viel: Das jüngste Projekt des ehemaligen Firmenchefs beschäftigt sich wieder mit einem Schallwandler. Diesmal auf der anderen Seite der Wandlung: mit einem Mikrofon. Selbstverständlich dreht es sich nicht um irgendeine Variation irgendeines käuflichen Produkts, sondern um eine radikale Neuentwicklung.Und nun zerpflückt Manger senior alle gängigen Theorie- und Praxismodelle des Mikrofonierens mit einer kurzen philosophischen Betrachtung der akustischen Welt. Die im übrigen, so der kreative Querdenker, schon vor Jahrhunderten ein ziemlich helles Köpfchen am Start hatte.

In nur wenigen Minuten spannt er einen überraschenden Bogen von Sir Isaac Newton zur wörtlichen und philosophischen Bedeutung von „Information“, beleuchtet sein Lieblingsthema (Schall und Akustik) von einem Standpunkt aus, der von der Wissenschaft bisher sträflich ignoriert wurde, und verdammt abschließend das Format MP3 ganz grundsätzlich in Grund und Boden. Eine verlustbehaftete Komprimierung kann seinen Vorstellungen einer im Wortsinn „in-Form-ativen“ Schallwiedergabe gar nicht entsprechen.

Alsdann hören wir eine spezielle CD mit Naturgeräuschen über, na klar, Manger-Lautsprecher, die trotz erhöhtem Abhörpegel derart echt wirkt, dass Ohren, Hirn und Bauch kei-nerlei Art von Stress verspüren. Wirklich bemerkenswert! Josef W. Manger scheint zufrieden mit unserer Begegnung zu sein und stellt sich noch mit der Tochter für ein fideles Foto zur Verfügung. Und ich nehme jede Menge neue, anregende Eindrücke mit nach Hause – in die Zukunft. Das Kreuzberger Klosterbier? Kann warten.

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Text und Fotografien: Cai Brockmann, Fidelity Verlag - Veröffentlicht mit der Erlaubnis des Fidelity Verlags, Ismaning

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